Mutterkornalkaloide in Getreideprodukten

Mutterkornalkaloide sind toxische Naturstoffe, die vom Pilz Claviceps purpurea gebildet werden.


In feuchten Jahren können Getreideähren von Roggen, seltener auch andere Getreide, durch den Pilz Claviceps purpurea befallen werden. Dieser bildet anstelle des Korns eine als Mutterkorn bezeichnete Dauerform (Sklerotium) aus. Das Mutterkorn enthält toxische Verbindungen, die Mutterkornalkaloide (Ergot-Alkaloide). Von diesen Mutterkornalkaloiden sind heute über 30 Verbindungen bekannt.

Chemie der Mutterkornalkaloide
Aufgrund ihres chemischen Aufbaus lassen sich Mutterkornalkaloide in die Gruppen Clavin-Typ (z. B. Agroclavin, Chanoclavin) und Lysergsäure-Typ (z. B. Ergin, Ergometrin, Ergotamin, Ergosin, Ergosecalin) einteilen, wobei bei letzterem weiterhin zwischen Amin- und Peptid-Derivaten unterschieden wird. Roggenmutterkorn enthält hauptsächlich Lysergsäure-Alkaloide, wobei die Hauptalkaloide Ergometrin (Amid-Typ) sowie Ergosin, Ergotamin, Ergocornin, Ergokryptin und Ergocristin (Peptid-Typen) sind. Sowohl der Gesamtalkaloidgehalt im Mutterkorn (0,01 bis 0,5 %) als auch das Verteilungsmuster der Einzelalkaloide unterliegt in Abhängigkeit von der Herkunft des Mutterkorns deutlichen Schwankungen. Der durchschnittliche Gesamtalkaloidgehalt im Mutterkorn beträgt 0,2 %. Mutterkornalkaloide zeigen eine geringe Stabilität. So können eine dreimonatige Lagerung unter Lichteinfluss oder eine thermische Einwirkung wie z. B. beim Backprozess den Alkaloidgehalt erheblich verringern.

Toxikologie
Wird Mutterkorn bei der Ernte nicht aussortiert, sondern z. B. in Brot verbacken, führt dies zur Krankheit des Ergotismus mit Symptomen wie Gefäßverkrampfungen. Im Mittelalter traten z.T. Massenvergiftungen auf, die auch als „St. Antoniusfeuer“ bezeichnet wurden. Merkmale dieser Erkrankung sind Würgereiz, Erbrechen, Kopfschmerzen sowie Kribbeln auf der Haut.

Medizinische Verwendung
In isolierter Form werden die Mutterkornalkaloide Ergotamin und Ergometrin als Arzneimittel für die Therapie von Durchblutungsstörungen, Kopfschmerzen und Migräne sowie bei der Hemmung von Nachgeburtsblutungen eingesetzt.

Rechtliche Grundlagen
Auf europäischer Ebene werden in der Verordnung (EG) Nr. 1572/2006 Höchstwerte für Mutterkorn in Hart- und Weichweizen mit 0,05 % angegeben. Bei einem durchschnittlichen Gehalt von 0,2 % Gesamtalkaloid im Mutterkorn entspricht dies 1 mg Gesamtalkaloid/kg Getreide. Eine 2004 vom Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) empfohlene Festsetzung von EU-einheitlichen Richtwerten bzw. Höchstwerten für Gesamtalkaloidgehalte sowie für toxikologisch relevante Einzelalkaloide des Mutterkorns in Getreideprodukten wurde noch nicht umgesetzt.

Analytik
Als basische Naturstoffe werden Mutterkornalkaloide mit polaren organischen Lösungsmitteln im basischen oder sauren pH-Bereich aus der Matrix extrahiert und mittels Flüssig-Flüssig-Extraktion oder Festphasenextraktion aufgereinigt. Für die quantitative Bestimmung der Alkaloide sind v. a. HPLC-Methoden mit Fluoreszenz- oder MS/MS-Detektion geeignet. Als Eluenten werden polare Lösungsmittelgemische im basischen oder sauren Bereich verwendet. Immunochemische Verfahren wie die ELISA-Technik eignen sich bisher oft nur zum Screening für einzelne Alkaloide. Die isomeren Formen der Mutterkornalkaloide können mithilfe der Kapillarelektrophorese (CE) getrennt und mittels UV-Detektor gemessen werden.

Alternativer Indikator für Mutterkornanteile in Getreide
Als Indikator für den Mutterkornanteil in Getreideprodukten kann neben den Alkaloiden auch Ricinolsäure herangezogen werden. Im Getreide selbst kommt sie nicht vor, dagegen liegt ihr Gehalt im Mutterkorn bei ca. 10 %. Mittels der gaschromatographischen Analyse können bis zu 0,01 % Mutterkorn in Roggenprodukten nachgewiesen werden. Im Gegensatz zu den Mutterkornalkaloiden ist Ricinolsäure sowohl bei der Lagerung als auch bei thermischer Einwirkung stabil, sodass auch in verarbeiteten Produkten auf den ursprünglichen Gehalt einer Mutterkornkontamination zurückgeschlossen werden kann.

SÜSSWAREN (2012) Heft 1

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