Thermische Reaktionsprodukte - A never ending story?



In der Astronomie gilt der Urknall (engl. big bang) als Beginn des Weltalls. Er kennzeichnet die gemeinsame Entstehung von Materie, Raum und Zeit aus der ursprünglichen Singularität und wird bildhaft häufig in Form einer Explosion visualisiert.

In den letzten Jahren ist im Bereich der Lebensmittelsicherheit eine exponentielle - greift man die Terminologie der Astronomie auf "explosionsartige" - Zunahme an als RISIKO wahrgenommenen, für die Gesundheit des Menschen schädlichen Stoffen zu beobachten. Diese Einschätzung stützt sich insbesondere auf stetig zunehmende Berichte einschlägiger Medien sowie auf Aktivitäten aller Stakeholder (engl. Bezeichnung für Personen und Gruppen, die ihre berechtigten Interessen wahrnehmen). Themen über Gesundheits- und Ernährungsfragen bilden in unserer Lifestyle-Gesellschaft zudem einen stabilen bzw. tendenziell ansteigenden Trend.

Aber was genau ist in diesem Zusammenhang eigentlich unter dem Begriff RISIKO zu verstehen? Das Lebensmittelrecht definiert den Risikobegriff als "Funktion der Wahrscheinlichkeit einer der Gesundheit beeinträchtigenden Wirkung und der Schwere dieser Wirkung als Folge einer Gefahr" (Lebens-mittel-BasisVO).

Betrachten wir nur die chemischen Risiken so waren sehr lange neben nativ in Lebensmitteln enthaltenen gesundheitsschädlichen Stoffen (cyanogene Verbindungen, Alkaloide u. dgl.) und Verfälschungen (z.B. Sudanfarbstoffe) vor allem Kontaminanten (umweltrelevante Stoffe, Toxine etc.) und Rückstände von Tierarznei- und Pflanzenschutzmitteln von Interesse. Seit einigen Jahren - verursacht insbesondere durch die größtmögliche Überraschung ("Big Bang") auslösende Entdeckung von Acrylamid in einer Vielzahl von Lebensmitteln im Frühjahr 2002 - sind jedoch gänzlich neue Stoffklassen in das öffentliche Interesse gerückt.

Thermische Reaktionsprodukte - sog. Foodborne Toxicants bzw. Process Contaminants oder Heatox - meistens aus der Maillard Reaktion (z.B. Acrylamid, Glycidamid) oder Lipidoxidationsprodukte (z.B. 3-MCPD-Ester, Glycidol-Ester) hätten noch bis vor kurzer Zeit nur Insider-Kreise ? wie die Doktoranden/innen der Lebensmittelchemie bei ihren Dissertationen ? beschäftigt. Heute ist jedoch fast jeder (neu) gefundene Einzelstoff sogleich von öffentlichem Interesse; auch oder gerade wenn die Toxikologie mit der Bewertung noch zuwarten muss oder die Analysenmethode selbst noch nicht validiert ist.

Doch was werden die nächsten, bisher noch unentdeckten Stoffklassen bzw. Stoffe sein? Fakt ist, Acrylamid gilt und galt in der Stoffklasse der thermischen Reaktionsprodukte sicherlich als eine Art Präzedenzfall und hat bzw. hatte sowohl im Bereich der Spurenanalytik als auch hinsichtlich neuartiger Minimierungstrategien, bei der Risikobewertung und der Gesetzgebung teilweise deutlich wegweisenden Charakter. Somit das Fazit: Stakeholder should learn from the Big Bang Acrylamid.

SÜSSWAREN (2009) Heft 6

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