Toxikologische Kenngrößen – Who is Who

Der Begriff Toxikologie leitet sich vom altgriechischen Wort τοξικολογία, toxikologia, deutsch ‚Giftkunde' ab und bezeichnet die Lehre der Giftstoffe. Das griechische Wort τοξικον Toxikon wiederum stammt von τόξον Toxon, deutsch ‚der Bogen‘ des Bogenschützen, mit dem ein (Gift-)Pfeil abgeschossen wird. Bei der Frage nach der Giftigkeit (Toxizität) eines Stoffes ist in der Regel die Menge bzw. die Konzentration des betreffenden Stoffes wichtig. Manche Substanzen wirken in geringen Mengen günstig auf den Körper, sind jedoch in höheren Konzentrationen bedenklich. Alle Substanzen sind jedoch ab einer bestimmten, von der Verabreichungsart abhängigen, Dosis tödlich. Ein historischer Leitspruch der Toxikologie lautet in diesem Zusammenhang wie folgt:
„Alle Dinge sind Gift, und nichts ist ohne Gift; allein die Dosis macht, dass ein Ding kein Gift sei.“ (Paracelsus 1538)
Um die toxikologische Wirkung eines Stoffes zu bewerten bzw. zu bestimmen, werden bestimmte Kenngrößen verwendet. Dabei wird unterschieden, ob eine akute (kurzfristige) oder chronische (langfristige) Wirkung vorliegt. Diese Wirkungen können dabei sowohl negativ, als auch positiv (pharmakologische Wirkung) für den Menschen sein.
Die Ableitung einer toxikologisch relevanten Dosis-Wirkung-Beziehung – meist aus Zellkulturen, Tierversuchen oder sonstigen Modellen – steht bei der Toxikologie an oberster Stelle. Zu diesem Zweck ist eine Fülle an teilweise sehr unterschiedlichen toxikologische Kenngrößen definiert. Eine Auswahl dieser Kenngrößen soll im Folgenden näher betrachtet werden.


NOAEL (No Observed Adverse Effect Level)

Eine der wichtigsten toxikologischen Kenngrößen ist der sog. NOAEL. Beim NOEAL handelt es sich um die Dosis oder Konzentration, bei welcher keinerlei schädliche Effekte bei Modellorganismen beobachtet werden. Als Modellorganismen können z.B. Mäuse, Ratten oder Zellkulturen genutzt werden. Diese werden mit verschiedenen Konzentrationen des zu untersuchenden Stoffes exponiert. Im Anschluss wird dann ein definierter Endpunkt (z.B. Entstehung von Krebszellen) bestimmt. Der NOEAL ist eine stoffabhängige Größe und bezieht sich immer auf ein Messverfahren (z.B. Vitalitätsmessung) bei einer bestimmten Applikationsform (oral, inhalativ) und Tierart bzw. Zellkultursystem.


ADI (Acceptable Daily Intake)

Eine weitere wichtige Kenngröße in der Toxikologie ist der sog. ADI, also die erlaubte Tagesdosis eines Lebensmittelzusatzstoffs, Pestizids etc., die bei lebenslanger täglicher Einnahme als unbedenklich betrachtet wird. Der ADI berechnet sich aus dem experimentell bestimmten NOAEL. Bei der Übertragung der Ergebnisse auf den Menschen wird ein (Un)Sicherheitsfaktor von 100 herangezogen, um die Unterschiede zwischen den Testorganismen und dem Menschen zu gewährleisten.


TDI (Tolerable Daily Intake)

Als wichtiges Pendant zum ADI gilt der TDI für ungewollte Verunreinigungen bzw. Kontaminanten und gibt – genau wie der ADI – die Menge eines Stoffes an, welcher über die gesamte Lebenszeit pro Tag aufgenommen werden kann, ohne spürbare Auswirkungen auf die Gesundheit des Verbrauchers zu haben. Der TDI gibt somit den Grenzwert einer unerwünschten Lebensmittelkontamination an und wird genau wie der ADI aus dem NOAEL berechnet. Neben dem TDI können zusätzlich noch Grenzwerte für eine wöchentliche (TWI=Tolerable Weekly Intake) oder monatliche (TMI=Tolerable Monthly Intake) tolerierbare Aufnahme definiert werden.


ARfD (Acute Reference Dose)

Die bei der toxikologischen Bewertung von Stoffen noch recht neue akute Referenzdosis stellt einen Grenzwert für die Kurzzeit-Exposition von Verbrauchern dar und wird hauptsächlich für die Bewertung von Pestiziden sowie Lebensmittelzusatzstoffen angewendet. Für Rückstände in Lebensmitteln ist die ARfD diejenige Menge, welche der Verbraucher bei einer oder mehreren Mahlzeiten über 24 h verteilt aufnehmen kann, ohne dass ein messbares Gesundheitsrisiko besteht. Die ARfD wird unter Anwendung eines (Un)Sicherheitsfaktors (meist Faktor 100) aus dem NOAEL abgeleitet.


Benchmark-Verfahren

Gegenüber dem experimentell ermittelten NOAEL können rein mathematisch berechnete statistische Daten aus einer Dosis-Wirkungsbeziehung abgeleitet werden. Die in diesem Kontext wohl bekannteste Methode ist das sog. Benchmark-Verfahren. Dabei wird durch eine statistikgestützte Analyse vorliegender Dosis-Wirkungs-Beziehungen die Menge abgeschätzt, bei welcher eine definierte zusätzliche Wirkung auftritt. Die somit bestimmte Dosis wird als „benchmark dose“ (BMD) bezeichnet. Bei krebserregenden oder reproduktionsschädlichen Stoffen wird zudem noch die Dosis ermittelt, welche gegenüber der Kontrolle zu einer 10% höheren Tumorbildung führt (benchmark dose 10 %, BMD10).


MOE (Margin of Exposure)

Der Margin of Exposure (MOE) ist ein zur Risikoabschätzung verwendetes Instrument zur Abwägung möglicher Sicherheitsbedenken in Bezug auf in Lebens- und Futtermitteln vorkommende Substanzen, die sowohl genotoxisch (d.h. sie können die DNA schädigen) als auch kanzerogenen (Krebs erzeugend) sind. Beim MOE handelt es sich um das Verhältnis zweier Faktoren: der Dosis, bei der erstmals eine kleine, jedoch messbare schädliche Wirkung beobachtet wird und dem Expositionsniveau gegenüber der betrachteten Substanz für eine gegebene Population.
Je kleiner die zu erwartende Exposition ist, desto größer wird also der MOE. Die Grundlage für die Berechnung liefert z. B. die schon beschriebene BMDL10. Ein MOE von größer 10.000 (BMDL10, tumorauslösend bei 10 % der Tiere) liefert aus derzeitiger wissenschaftlicher Sicht wenig Anlass zur Besorgnis und berücksichtigt mehrere (Un)Sicherheitsfaktoren.


TTC-Konzept (Threshold of Toxicology Concern)

Aufgrund verbesserter Analyseverfahren lassen sich mittlerweile immer mehr Substanzen nachweisen, die in niedrigen und sehr niedrigen Konzentrationen in Lebens- und Futtermitteln vorkommen. Für viele dieser Substanzen stehen jedoch wenige oder gar keine toxikologischen Daten zur Verfügung. Das TTC-Konzept wurde entwickelt, um das Risiko dieser Substanzen auf ihre schädliche Wirkung hin zu bewerten. Dabei werden Substanzen mit bekannter chemischer Struktur anhand chemisch ähnlicher Stoffe, welche bereits eine toxikologisch Beurteilung besitzen, bewertet und ein Grenzwert festgelegt. Dieser ist nach dem Vorsorgeprinzip sehr niedrig gehalten. Durch spätere toxikologische Untersuchungen kann dieser fiktive Grenzwert bestätigt oder neu definiert werden.


Eine Übersicht der hier vorgestellten toxikologischen Kenngrößen ist der Abbildung 1 zu entnehmen.

Abbildung 1: Überblick der beschriebenen toxikologischen Kenngrößen und deren Berechnungen



In den letzten Jahren hat sich ein EU-weit harmonisiertes System zur Risikoabschätzung toxikologisch relevanter Substanzen etabliert, welches im Sinne des vorbeugenden Schutzes der Verbrauchergesundheit stetig weiterentwickelt und angepasst wird.