Active Principles – Blausäure



Blausäure (kurz HCN) zählt – wie die bereits in vorangegangenen LCI-Focus-Beiträgen beschriebenen Stoffe Safrol, Cumarin etc. – zur Gruppe der sogenannten Active Principles. Es handelt es sich hierbei um Inhaltsstoffe von bestimmten pflanzlichen Lebensmitteln, die zum typischen Aroma eines Lebensmittels zum Teil erheblich beitragen können, jedoch toxikologisch nicht unbedenklich sind (vergleiche hierzu LCI Focus „Active Principles – Aromatische Inhaltsstoffe von Gewürzen“, süsswaren Heft 1+2.2000 S. 8).

Bei Blausäure, einer bereits seit dem Altertum bekannten Substanz, handelt es sich chemisch betrachtet um Cyanwasserstoff, einer bei Raumtemperatur flüssigen Verbindung mit stechendem Geruch, der in Verdünnung als bittermandelartig charakterisiert wird. Die farblose Blausäure hat ihren Namen daher, dass sich von ihr bestimmte blaue Eisenverbindungen, wie Berlinerblau und Turnbulls-Blau, ableiten.

Wo kommt Blausäure vor?

In der Natur kommt Blausäure fast ausschließlich in gebundener Form vor. In vielen Nahrungsmittelpflanzen liegt die Blausäurequelle in Nitrilosiden, cyanogenen Lipiden und vor allem cyanogenen Glycosiden vor. Die Freisetzung der Blausäure erfolgt hier durch bestimmte Enyme. Bislang gelten ca. 1.500 Nahrungspflanzen als nitrilosidhaltig, d. h. cyanogen. Hierzu zählen insbesondere tropische Stärketräger wie Maniok, Yams, Batate aber auch z. B. Zuckerhirse, Bambus, Leinsamen, Zuckerrohr und die Mond- oder Limabohne. Die Gehalte an Blausäure variieren hierbei pflanzenabhängig in einem weiten Bereich. Für Maniok z.B. liegen die Werte zwischen 5,5 und 25 mg HCN/kg, für die Limabohne zwischen 1 und 31 mg HCN/kg. Im Vergleich hierzu sind die Anteile cyanogener Glycoside in der Gemüsebohne und Gartenerbse sowie in einheimischen Getreidearten eher gering. Verhältnismäßig hohe Gehalte cyanogener Glycoside sind außerdem in bestimmten Samen von Kern- und Steinobstarten, wie z. B. Pfirsich, Aprikosen, Äpfeln, Pflaumen und Kirschen, nachweisbar.

Unter den Lebensmitteln mit einem relativ hohen Nitrilosidgehalt sind bei uns die Bittermandel und die Aprikosenkerne von besonderer Bedeutung. Bei dem sich in den Samen befindenden cyanogenen Glycosid handelt es sich um Amygdalin, dessen Menge zur Freisetzung von durchschnittlich 2.500 mg/kg Blausäure ausreicht.
In freier Form ist Blausäure u. a. in Tabakrauch und in Autoabgasen zu finden.

Marzipan/Persipan und Blausäure?

Sowohl Persipan als auch viele „Marzipane“ werden unter Verwendung amygdalinhaltiger Kerne hergestellt. Bei der Fertigung von Marzipanrohmassen kommen neben süßen auch bis max. 10% bittere Mandeln zum Einsatz, Persipan wird auf der Basis von entbitterten (von Blausäure befreiten) Aprikosenkernen hergestellt.

Bei der Hydrolyse von Amygdalin, das zu 2-3% in bitteren Mandeln und Aprikosenkernen enthalten ist, tritt unter Einwirkung von Emulsin – einem Enzymgemisch – eine Aufspaltung in Glucose, Benzaldehyd und Blausäure ein. Ein Teil des Benzaldehyds und der größte Teil der Blausäure entweichen beim technologischen Prozess der Marzipan- bzw. Persipanherstellung. Die im Endprodukt verbleibenden Restanteile an Benzaldehyd und Blausäure werden für den arttypischen Geschmack dieser Produkte als bedeutend angesehen.

Was sagt der Gesetzgeber?

Die Aromenverordnung limitiert die Gehalte an Blausäure in verzehrsfertigen Lebensmitteln. Hiernach sind für:

- Getränke und andere Lebensmittel 1 mg/kg erlaubt. Sonderregelungen gelten für:
• Nougat, Marzipan und ähnliche Erzeugnisse, die 50 mg/kg enthalten dürfen,
• alkoholische Getränke, in denen 1 mg/kg Blausäure je Volumenprozent an Alkohol enthalten sein darf und
• Steinfruchtobstkonserven, mit einem Grenzwert von 5 mg Blausäure je kg.
Derzeit wird von Seiten der EU jedoch über Neuregelungen auf diesem Gebiet diskutiert.

Wie bestimmt man Blausäure?

Da Blausäure in Pflanzen und Lebensmitteln pflanzlicher Herkunft größtenteils als Nitrilosid gebunden vorkommt, muss zunächst der Cyanwasserstoff freigesetzt werden. Dies erfolgt meist durch enzymatische Hydrolyse mit Emulsin, jedoch ist auch die Hydrolyse mit Säuren oder eine Kombination beider Verfahren möglich. Die freigesetzte Blausäure wird durch einen Luft- oder Wasserdampfstrom in eine alkalisch reagierende Vorlage übertrieben und titrimetrisch bestimmt (Gesamt-HCN). Des Weiteren sind neben spektralphotometrischen Methoden, bei denen der gebildete Farbstoff gemessen wird, auch gaschromatographische und elektrochemische Methoden möglich. Hierfür sind jedoch cyanidsensitive Elektroden erforderlich.

SÜSSWAREN (2000) Heft 11

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