Alkaloide der Kartoffel



Unter der Bezeichnung Alkaloide werden Substanzen zusammengefasst, die ein oder mehrere heterozyklisch eingebaute Stickstoff-Atome im Molekül aufweisen, in erster Linie in Pflanzen enthalten sind und eine pharmakologische Wirkung innehaben. Charakteristisch für die Bildung von Alkaloiden ist u. a. die Pflanzenfamilie der Nachtschattengewächse (Solanaceae), zu der, neben vielen Gift- und Heilpflanzen, auch einige Lebensmittelpflanzen wie z. B. die Kartoffel gehören. Die wichtigsten der von dieser Pflanzenfamilie gebildeten sog. Solanum-Alkaloide sind das α-Solanin und das α-Chaconin.

Chemische Daten

Chemisch korrekt wird α-Solanin als Solanid-5-en-3β-yl-O-α-L-rhamnopyranosyl-(1→2)-O-β-D-glucopyranosyl-(1→3)-β-D-galactopyranosid bezeichnet und besitzt ein Molekulargewicht von 868,04 g/mol. In reiner Form bildet es ferner farblose Kristalle, die sich in heißem Ethanol, Benzol und Chloroform lösen und bei 285 °C unter Zersetzung schmelzen. Die chemische Struktur dieser Solanum-Alkaloide besteht aus einem sog. Aglykon (= Nichtzucker-Komponente) mit Steroidstruktur und einer Kohlenhydratkomponente aus einem oder mehreren Zuckern. Aus diesem Grund werden diese Substanzen allgemein unter der Bezeichnung Glykosidalkaloide zusammengefasst. Die in der Kartoffel enthaltenen Glykosidalkaloide α-Solanin und α-Chaconin bestehen jeweils aus demselben Aglykon mit verschiedenen Trisaccharid-Seitenketten; spricht man bei der Kartoffel vom Solaningehalt, so ist darunter grundsätzlich die Summe an α-Chaconin- und α-Solanin-Konzentration zu verstehen.

Wissenswertes zur Bildung und zum Vorkommen

α-Solanin wurde erstmals 1820 von dem französischen Apotheker Desfosses aus den Beeren des Schwarzen Nachtschatten (Solanum) isoliert. Die Verbindung ist vor allem in Früchten, Sprossen und Blättern von Nachtschattengewächsen (Solanaceae), wie Kartoffeln, Tomaten (daher wird es oft fälschlicherweise als Tomatin bezeichnet), Auberginen, Paprika sowie im Bittersüßen und Schwarzen Nachtschatten enthalten. Die Kartoffelpflanze bildet Glykosidalkaloide bevorzugt unter Stressbedingungen, da diese zu den wichtigsten Abwehrstoffen der Pflanze gegen Bakterien, Pilze, Insekten und Säuger gehören. Bei Kartoffeln reichern sich die Glykosidalkaloide in den Keimen, den Augen und den unreifen, grünen Stellen an; die Konzentrationen nehmen vom äußeren Schalenbereich zur Markschicht hin deutlich ab. Üblicherweise liegen die Gehalte an Glykosidalkaloiden in Nahrungspflanzen zwischen 0,2 und 1 mg/kg, einzelne Sorten bzw. Pflanzenteile erreichen jedoch auch deutlich höhere Gehalte. So können unreife, grüne Tomaten 90 bis 320 mg, reife Tomaten dagegen nur maximal 7 mg Solanin pro kg enthalten. Geschälte Kartoffeln enthalten bis zu 100 mg/kg Solanin.

Faktoren, die die Gehalte an Glykosidalkaloiden bei Kartoffeln teilweise erheblich beeinflussen können, sind neben der Kartoffelsorte auch die Wachstumsbedingungen (Hagel und Frost begünstigen die Alkaloidbildung), mechanische Verletzungen (verletzte Knollen enthalten deutlich mehr Alkaloide), Lichteinfluss (bewirkt neben dem Ergrünen einen deutlichen Anstieg des Glykosidalkaloidgehaltes), Lagerung und Temperatur (zu hohe/zu tiefe Lagertemperaturen [optimale Lagertemperatur: 10 °C] und eine zu lange Lagerdauer begünstigen die Alkaloidbildung).
Aufgrund ihrer Hitzestabilität sind die Glykosidalkaloide α-Solanin und α-Chaconin nicht durch Kochen, Braten etc. aus dem Lebensmittel zu entfernen.

Analytik von Glykosidalkaloiden

Der qualitative Nachweis der Glykosidalkaloide ist mittels einer Farbreaktion möglich. Mit einer 1%igen Lösung von Paraformaldehyd in 90%iger Phosphorsäure geben die Solanum-Alkaloide eine stahlblaue Färbung. Für die quantitative Bestimmung bieten sich insbesondere chromatographische Verfahren, HPLC-UV/DAD oder LC-MS/MS, nach vorhergehender wässriger Extraktion und Festphasenanreicherung, an. Hierbei ist auch die getrennte Quantifizierung der beiden Glykosidalkaloide α-Solanin und α-Chaconin möglich.

Toxikologie und Gesetzgebung

α-Solanin schädigt lokal die Schleimhäute sowie durch Resorption das zentrale Nervensystem und kann beim Erwachsenen in höheren Dosierungen zu Vergiftungserscheinungen wie beispielsweise Brennen und Kratzen im Hals, Kopfschmerzen, Erbrechen sowie Magen- und Darmbeschwerden führen. Toxikologische Untersuchungen zu α-Chaconin liegen nur bedingt vor, allerdings wird dieses als noch toxischer eingestuft als α-Solanin.

Bisher gibt es weder auf nationaler Ebene noch international einen Grenzwert für Glykosidalkaloide in Lebensmitteln. Jedoch gilt bereits jahrzehntelang als traditioneller Unbedenklichkeitswert ein Glykosidalkaloidgehalt von 200 mg/kg Rohkartoffel. Von der JECFA (Joint FAO/WHO Expert Committee on Food Additives) wird ein Wert von 100 mg/kg als machbar angesehen, ein Glykosid-Gehalt von 20–100 mg/kg gilt in Kartoffeln als normal. Weder für α-Solanin noch α-Chaconin wurde bisher ein NOEL (No Observed Effect Level) oder ein ADI (Acceptable Daily Intake) festgesetzt.

SÜSSWAREN (2008) Heft 1-2

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