Chlorat in Lebensmitteln - Vorkommen, Toxizität, Höchstgehalte, Analytik

A.Was ist Chlorat und wofür wird es verwendet?
Chlorate (ClO3-) sind Salze der Chlorsäure (HClO3) und stellen starke Oxidationsmittel dar. Daher werden sie zum Beispiel zum Bleichen von Papier oder zum Gerben von Leder eingesetzt. Zudem weisen Chlorate eine herbizide Wirkung auf und waren bis 1992 in Deutschland in Form von Natriumchlorat als Wirkstoff in Pflanzenschutzmitteln zugelassen.

Strukturformel von Chlorat








Seit 2010 ist die Anwendung von Pflanzenschutzmitteln oder auch Biozidprodukten, die als Wirkstoff Chlorat enthalten, in allen europäischen Mitgliedstaaten verboten.
Chlorat kann jedoch bei der Reinigung bzw. Desinfektion von Trinkwasser mit chlorhaltigen Lösungen, wie Natriumhypochlorit, als Nebenprodukt gebildet werden.


B. Chlorat und Perchlorat
Ähnlich dem Chlorat verfügt auch das Perchlorat (ClO4-) – Salz der Perchlorsäure (HClO4) – über oxidative Fähigkeiten. Verwendung findet Perchlorat in erster Linie in Industriechemikalien, als Arzneimittel sowie als Raketentreibstoff. Perchlorate sind weder als Pflanzenschutzmittel- noch als Biozid-Wirkstoffe zugelassen, sie können jedoch durch Disproportionierung aus den zu Desinfektionszwecken eingesetzten Hypochloriten, Chloriten sowie Chloraten entstehen und wurden in zahlreichen Obst- und Gemüseerzeugnissen nachgewiesen.


C. In welchen Lebensmitteln ist Chlorat enthalten und wieso?
Häufig wurde Chlorat in tiefgefrorenem Gemüse, Obstsäften und Salaten/Kräutern nachgewiesen. Ursache für das Auftreten von Chlorat in diesen Produkten könnten Prozesse wie das Glasieren von Tiefkühlware, das Verdünnen von Saftkonzentraten oder das Waschen von Kräutern und Salaten mit chlorathaltigem Wasser gewesen sein.
Untersuchungen des Chemischen und Veterinäruntersuchungsamtes (CVUA) in Stuttgart haben ergeben, dass pflanzliche Lebensmittel (verschiedene Obst- und Gemüsesorten) Chlorat enthalten können. Dabei konnten überwiegend (etwa 76 % der Proben) Chlorat-Gehalte unter 0,01 mg/kg nachgewiesen werden, in einzelnen Proben wurden jedoch auch Chlorat-Gehalte bis 2,7 mg/kg (z. B. Koriander aus Kambodscha) gefunden. Die Ursachen bzw. die Quellen der Rückstände sind noch nicht endgültig geklärt. Als eine Kontaminationsquelle konnte die Behandlung von Trinkwasser mit chlorhaltigen Mitteln identifiziert werden. Das CVUA Stuttgart beschreibt zudem einen möglichen weiteren Eintragspfad über gechlortes Wasser, welches zum Waschen von Gemüse und Obst verwendet wurde. Denkbar wäre außerdem ein umweltbedingter Eintrag von Chlorat über atmosphärische Ablagerungen bzw. über kontaminiertes Bewässerungswasser oder aber die verbotene Anwendung Chlorat-haltiger Herbizide bzw. die Aufnahme von Chlorat aus belasteten Böden durch die Pflanzen.


D. Ist Chlorat schädlich für die Gesundheit?
Chlorat kann abhängig von der Dosis, insbesondere bei oraler Aufnahme, eine hohe akute Toxizität für den Menschen aufweisen. Diese äußert sich in erster Linie durch Schädigungen der Erythrozyten (roten Blutkörperchen), was in einer Methämoglobin-Bildung und Hämolyse resultiert. Zudem kann die chronische Aufnahme von Chlorat eine reversible Hemmung von Jodid in der Schilddrüse zur Folge haben, was bei höheren Dosen vor allem bei empfindlichen Personengruppen wie Kindern, Schwangeren oder Personen mit Schilddrüsenfunktionsstörungen möglicherweise zu Veränderungen des Schilddrüsenhormonspiegels führen kann. In einer aktuellen Risikobewertung von 2015 kommen die EFSA (Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit) sowie das BfR (Bundesinstitut für Risikobewertung) zu dem Schluss, dass eine längerfristige Exposition gegenüber Chlorat in Lebensmitteln potentiell bedenklich für die Gesundheit vor allem bei Kindern mit leichtem bis moderatem Iodmangel ist. Jedoch ist es unwahrscheinlich, dass die Gesamtaufnahme eines einzigen Tages ‒ selbst im Bereich der höchsten, geschätzten Aufnahmemengen ‒ das empfohlene Sicherheitsniveau für Verbraucher aller Altersgruppen überschreitet. Im Rahmen der neuen Risikobewertung für Chlorat wurde deshalb ein tolerable daily intake (TDI) von 3 µg/kg Körpergewicht und Tag für die chronische Exposition sowie eine akute Referenzdosis (ARfD) von 36 µg/kg Körpergewicht für die akute Exposition bestimmt.



E. Gibt es Höchstgehalte für Chlorat in Lebensmitteln?
Als früheres Pflanzenschutzmittelwirkstoff fallen Chlorate grundsätzlich unter die Regelungen der Verordnung (EG) Nr. 396/2005. Diese Verordnung setzt die Pestizidrückstände fest, die in tierischen und pflanzlichen Lebens- und Futtermitteln höchstens enthalten sein dürfen. Diese Rückstandshöchstgehalte umfassen die für bestimmte Lebens- und Futtermittel spezifischen Rückstandshöchstgehalte und einen allgemeinen Höchstwert, der dann gilt, wenn kein spezifischer Rückstandshöchstgehalt festgesetzt ist. Da Chlorate als Wirkstoff seit 2010 nicht mehr zugelassen sind und keine spezifischen Höchstgehalte festgelegt wurden, gilt EU-weit ein Höchstgehalt von 0,01 mg/kg. Aktuell (Stand Februar 2020) ist der Verordnungsentwurf SANTE/10684/2015 in der Version 9. Revision verfügbar. Dieser Verordnungsentwurf wurde vom Ständigen Ausschuss (SC PAFF) für Pflanzenschutzrückstände auf seiner letzten Sitzung am 17./18.02.2020 angenommen. Es ist u. a. insbesondere darauf hinzuweisen, dass die Rückstandshöchstgehalte für Obst und Gemüse nicht nur für frische, sondern auch für gefrorene Produkte gelten. Die vorgeschlagenen Rückstandshöchstgehalte für die Warenart Kakao gelten für Kakaobohnen (0,05 mg/kg). Der Verordnungsentwurf in seiner 9. Überarbeitung enthält einen sogenannten burden of proof für die rechtliche Beurteilung von verarbeiteten Lebensmitteln; demnach liegt die Beweislast für zusätzliche Chlorateinträge im Rahmen der Lebensmittelherstellung oder -verarbeitung beim Lebensmittelhersteller. Die Verordnung wird voraussichtlich im Herbst im Amtsblatt der Europäischen Union veröffentlicht und 20 Tage später ohne Übergangsfristen (ca. September / Oktober 2020) in Kraft treten.


F. Wie wird Chlorat analysiert?
Für die qualitative und quantitative Bestimmung von Chlorat in pflanzlichen Lebensmitteln ist eine vom Europäischen Referenzlabor publizierte Einzelbestimmungs-Analysenmethode verfügbar (EU Reference Laboratories for Residues of Pesticides – EURL-SRM, CVUA Stuttgart). Dabei werden die Chlorate mit Wasser und angesäuerter Methanol-Lösung aus der Lebensmittelprobe extrahiert. Im Anschluss wird der Extrakt zentrifugiert, filtriert und mittels Flüssigchromatographie gekoppelt mit Massenspektrometrie (LC-MS/MS) analysiert.


G. Fazit
Aufgrund der hohen Toxizität und dem damit einhergehenden negativen Auswirkungen auf die menschliche Gesundheit ist Chlorat in Lebensmitteln unerwünscht. Im LCI wurde kürzlich eine Methode für die Bestimmung von Chlorat und Perchlorat entwickelt und validiert. Diese Analytik kann bei unserem Schwesterinstitut, dem Institut für Qualitätsförderung in der Süßwarenwirtschaft, IQ.Köln, in Auftrag gegeben werden (Kontakt: iq-koeln@iq-koeln.de).