Kakaoschalenanalytik heute

Weltweit erfreuen sich Kakao- und Schokoladenprodukte als Lebens- und Genussmittel großer Beliebtheit und die Auswahl an Schokoladenwaren auf dem Markt ist äußerst vielfältig. Nach Angaben des BDSI (Bundesverband der Deutschen Süßwarenindustrie) wurden im Jahr 2018 1.095.000 Tonnen qualitativ hochwertige Schokoladen und Schokoladenwaren produziert. Somit liegt der Pro-Kopf-Verbrauch von Schokoladenwaren bei über 9 kg pro Jahr und Schokoladenwaren bilden das größte und umsatzstärkste Marktsegment innerhalb der Süßwarenindustrie.

Der Kakaoschalenanteil als Qualitätsparameter
Schon seit Jahrzehnten und gerade auch aktuell gilt der Schalenanteil als wichtiger Qualitätsparameter für Produkte, die aus gerösteten Kakaobohnen hergestellt werden. Bei der Beurteilung von Kakaoprodukten stellt sich die Frage, inwieweit schalenreiche Rohstoffe oder ein zu starkes Abpressen bei der Herstellung zum Einsatz kommen. Dabei können unerwünschte Begleitsubstanzen aus der Schale in die Kakaobutter übergehen und das Aroma sowie die Kristallisationseigenschaften von Kakaoprodukten negativ beeinflussen. Hohe Anteile an Schalen im Endprodukt stellen letztlich eine Wertminderung dar und sind somit unerwünscht.
Die Codex-Alimentarius-Kommission legte in diesem Zusammenhang einen Orientierungswert von 5 % Kakaoschalen, inklusive der Keimwürzelchen, bezogen auf die fettfreie Kakaotrockenmasse fest, der sowohl für Kakaomassen als auch Kakaopresskuchen gilt. Bei Einhaltung einer guten Herstellungspraxis sollte dieser Wert nicht überschritten werden, um ein qualitativ hochwertiges und gesundheitlich unbedenkliches Lebensmittel zu erhalten. Mit Inkrafttreten der EU-Kakao-Richtlinie 2000/36/EG im Jahre ist die gesetzliche Begrenzung des Kakaoschalenanteils in Kakaoprodukten in der EU weggefallen. Folglich existiert in der KakaoV von 2003 keine Höchstmenge für den Kakaoschalenanteil in Kakaoerzeugnissen.

Analytik des Kakaoschalenanteils
Zu Beginn des 20. Jahrhunderts wurden zur Analytik von Kakaoschalen überwiegend mikroskopische Verfahren zur Identifizierung von den in der Kakaoschale charakteristischen Schleim- und Steinzellen angewandt. Ausgenutzt wird hierbei, dass Steinzellen in allen Kakaosorten ausschließlich in der Testa, also der Samenschale, vorkommen. Bereits im Jahre 1900 wurde von Fischer ein Nachweisverfahren vorgeschlagen, bei dem aus der Anzahl der Steinzellen und ihrer Anatomie auf den Schalengehalt rückgeschlossen werden konnte. Jedoch sind diese Verfahren heute zunehmend schwerer anwendbar, da durch die modernen Vermahlungstechniken ein Großteil der charakteristischen Steinzellen nicht mehr erkennbar ist. Prinzipiell gelten sämtliche mikroskopische Methoden nach heutigem Stand der Analytik als äußerst ungenau sowie zeit- und arbeitsintensiv. Jedoch konnte das Verfahren durch die Anwendung einer matrixbasierten Kalibiergeraden sowie den Einsatz eines Polarisationsmikroskops deutlich vereinfacht werden und die AOAC hält das Auszählverfahren der Steinzellen bzw. –gruppen noch immer für die Methode der Wahl.
Zur Reinheitsprüfung von Kakaobutter findet bis heute die bereits im Jahre 1963 von Fincke und Sacher entwickelte Blauwert-Methode in der industriellen Qualitätskontrolle breite Anwendung. Diese auch als „B-Wert“ bezeichnete Methode wurde in der Methodensammlung des IOCCC veröffentlicht. Bei der Blauwert-Methode reagieren Fettsäuretryptamide und andere Substanzen mit Indolstruktur als Indikatorverbindungen für Kakaoabfallfette mit p Dimethylaminobenzaldehyd (p-DMAB) in saurem Milieu zu einem Komplex, der mittels Wasserstoffperoxid zu einem blauen Farbstoff oxidiert wird.

Reaktionsschema B-Wert



In Kakaoschalen findet sich insbesondere Behensäuretryptamid (BAT) in hohen Mengen. Mittels photometrischer Messung des Blaufarbstoffes kann im Anschluss eine Aussage über die Kakaobutterqualität getroffen werden. Ein Blauwert von < 0,04 deutet auf eine einwandfreie Kakaobutter hin. Da es sich beim „B-Wert“ um eine Summenmethode handelt, deren Spezifität und Selektivität nicht mehr den heutigen Ansprüchen genügt, wurde an der TU München in Zusammenarbeit mit dem LCI in den Jahren 1998 – 2000 eine neue Schnellmethode entwickelt. Dabei werden die dominierenden Fettsäuretryptamide BAT und LAT (Lignocerinsäuretryptamid) als Indikatorsubstanzen mit einer leistungsstarken Methode basierend auf Hochleistungsflüssigchromatographie mit Fluoreszenzdetektion quantifiziert.

Aktuelle Entwicklungen im Bereich Kakaoschalenanalytik
Die quantitative Bestimmung des Kakaoschalenanteils zählt auch heute noch zu den wichtigsten Kontrolluntersuchungen bei Kakaoerzeugnissen. Im LCI wurde daher im Jahr 2018 eine wissenschaftliche Arbeit zum Thema „Kakaoschalenanalytik heute“ durchgeführt. Ziel dieser Arbeit war es, die „B-Wert“-Methode grundlegend zu überarbeiten, da das ursprünglich als Lösungsmittel verwendete Tetrachlorkohlenstoff (CCl4) aufgrund seiner gesundheitsgefährdenden Wirkung für Mensch und Umwelt äußerst unerwünscht ist. Die Möglichkeit der Verwendung alternativer Lösungsmittel im Austausch mit CCl4 wurde im Rahmen einer Robustheitsbestimmung überprüft. Einige der getesteten Lösungsmittel waren zum Lösen des Färbemittels p-DMAB nicht geeignet, andere führten wiederrum zu keiner Blaufärbung oder es ergab sich keine akzeptable Absorption. Der Vergleich zeigte, dass Hexan die für die Bestimmung des „B-Wertes“ relevanten Kriterien erfüllt und somit gegen CCl4 ausgetauscht werden kann. Außerdem wurde gezeigt, dass das in der Routineanalytik sehr zeitaufwendige Schütteln per Hand durch die Extraktion im Ultraschallbad ausgetauscht werden kann. Diese für die moderne Analytik optimierte Methode wurde als „Eco-B-Wert“-Methode bezeichnet.
Zur Erfassung des Schalengehaltes in Kakaomassen und Kakaopulvern ist jedoch die Bestimmung der Fettsäuretryptamide (FAT) mittels HPLC-FLD das State-of-the-Art-Analysenverfahren. Da die FAT auch in geringen Mengen in den Kakaokernen vorkommen, kann der Schalenanteil weiterhin nur abgeschätzt werden. Außerdem gilt es, die analytischen sowie biologischen Schwankungen zu berücksichtigen, da der Tryptamidgehalt von verschiedenen Einflussgrößen abhängt. An der Universität Hamburg wurde zuletzt im Rahmen des FEI-Forschungsprojektes „Entwicklung einfacher massenspektrometrischer Methoden für den quantitativen Nachweis von Kakaoschalenanteilen in Kakaoprodukten für die Routineanalytik“ im Zeitraum zwischen 2016 bis Ende 2018 unter Leitung von Markus Fischer nach weiteren Indikatorverbindungen in der Kakaoschale gesucht. Mittels hochauflösender Massenspektrometrie konnten hierbei 18 Schlüsselmetabolite in Kakaoschalen identifiziert und charakterisiert werden, die zur Bestimmung des Kakaoschalenanteils in Kakaoprodukten mittels multivariater Datenanalyse geeignet sind. Zur Quantifizierung dieser 18 Metabolite aus den Stoffklassen Fettsäuretryptamide, 5-Hydroxy-Fettsäuretryptamide, α-Tocopherol-Derivate, Triacylglycerole und Ceramid-Derivate wurde eine LC-ESI-Triple-Quadrupol-MS-Methode entwickelt. Keiner der untersuchten Metabolite genügt jedoch dem Kriterium der Ausschließlichbarkeit für das Vorkommen in der Kakaoschale, sondern findet sich immer auch zu geringen Anteilen im Kakaokern.

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass trotz jahrhundertelanger Forschung zum Thema Kakaoschalenanalytik bis heute keine geeignete Analysenmethode zur exakten Quantifizierung des Kakaoschalenanteils in Kakaoprodukten existiert. Mit den hier vorgestellten Methoden und Neuerungen lässt sich jedoch eine zufriedenstellende Abschätzung des Kakaoschalenanteils erreichen.