Arsen – Toxikologische Neubewertung eines Halbmetalls




Historie

Der Name Arsen geht unmittelbar auf das griechische arsenikón (αρσενικόν) zurück, die Bezeichnung des Arsenminerals Auripigment. Dieser Name findet sich schon bei Dioskurides im 1. Jahrhundert n. Chr. und scheint seinerseits seinen Ursprung im Mittelpersischen al-zarnik (goldfarben) zu haben. Erst seit dem 19. Jahrhundert ist die Bezeichnung Arsen gebräuchlich. Das Elementsymbol wurde 1814 von Jöns Jakob Berzelius vorgeschlagen.

Auch die Giftigkeit vieler Arsenverbindungen war schon sehr früh bekannt. So war vor allem Arsenik As2O3 im Mittelalter und in der Renaissance ein häufig genutztes Mordgift, mit dem zahlreiche Morde an hochrangigen Persönlichkeiten begangen wurden. Napoleon ist dabei wohl der berühmteste Fall für eine Arsenvergiftung, die durch eine Analyse seiner Haare mit modernen chemischen Analysenmethoden nachgewiesen werden konnte. So wurde Arsen über die Jahre hinweg zu einem Synonym für Gift, das auch die zwei liebenswerten, alten Damen Abby und Martha Brewster im Filmklassiker „Arsen und Spitzenhäubchen“ aus dem Jahr 1941 dazu nutzten, alte, einsame Männer aus Mitleid „Gott näher zu bringen“.


Arsen gehört neben Stickstoff, Phosphor, Antimon und Bismut zu den Elementen der 5. Hauptgruppe des Periodensystems, innerhalb der die chemischen und physikalischen Eigenschaften sehr unterschiedlich sind. Mit der Ordnungszahl 33 steht Arsen in der 4. Periode und befindet sich somit im Übergangsbereich von den Metallen zu den Nichtmetallen, was sich in der umfangreichen und komplizierten Chemie seiner Verbindungen äußert. So tritt Arsen als Halbmetall nicht nur wie ein Nichtmetall anionisch, sondern auch wie ein Metall kationisch auf.

Arsen hat eine relative Atommasse von 74,92u und eine Dichte von 5,73 g/cm3. Graues α-Arsen ist an trockener Luft beständig, oxidiert aber an feuchter Luft. Beim Erhitzen an der Luft verbrennt das Halbmetall mit bläulicher Flamme zu weißem Arsen(III)-oxid, welches knoblauchartig riecht. Durch konzentrierte Salpetersäure wird graues α-Arsen zu Arsensäure, durch verdünnte Salpetersäure oder konzentrierte Schwefelsäure zu Arseniger Säure oxidiert. In seinen Verbindungen tritt Arsen in den Oxidationsstufen +5, +3 und -3 auf, wobei Verbindungen mit der Wertigkeit +3 am beständigsten sind.

Vorkommen und Gewinnung

Arsen ist ein überwiegend aus natürlichen Quellen stammendes, ubiquitär vorliegendes Element, das in der Erdkruste mit einer Konzentration von 1,0–2,0 mg/kg vorkommt und deshalb zu den eher seltenen Elementen zählt. Gelegentlich kommt Arsen in der Natur gediegen (elementar) vor. Am häufigsten liegt es jedoch als anorganisches Arsen in Form seiner Sulfide in der Erdkruste gebunden vor. Daneben kommt es dort in Form seiner Oxide sowie in Arsenlegierungen als Metallarsenid ([AsO3]3-) sowie -arsenat ([AsO4]3-) und in biologischem Material in organischen Arsenverbindungen, wie Arsenocholin, Arsenobetain oder Arsenozucker, vor.

Die Gewinnung von Arsen erfolgt in der Hauptsache durch Erhitzen von Arsenkies oder Arsenikalkies unter Luftabschluss bei 700 °C in liegenden Tonröhren, wobei Arsen sublimiert und in gekühlten Vorlagen aufgefangen und kondensiert wird. Das Anfallen von Arsen(III)-oxid als Nebenprodukt bei der Gewinnung, Verarbeitung und Reinigung vor allem von Kupfer, Blei, Kobalt und Gold stellt heute die wohl bedeutendste Methode zur Herstellung von Arsen dar.

Arsen in Lebensmitteln

Bei beruflich nicht exponierten Personen erfolgt die Aufnahme von Arsen hauptsächlich über Lebensmittel, in die es aufgrund geogener sowie anthropogener Expositionsquellen gelangt. Durch Verwitterung von Gesteinen und vulkanische Emissionen wird Arsen aus der Erdkruste in Böden, Wasser und die Luft eingetragen. Die gemessenen Arsenkonzentrationen im Grundwasser reichen von nicht nachweisbar bis 800 µg/L. Im Trinkwasser können in einigen Gebieten der Erde wie z. B. West Bengalen und Bangladesch Arsengehalte von bis zu 9 mg/L erreicht werden. Ferner sorgen immer wieder Meldungen über Arsengehalte in Reis aus China für Schlagzeilen. Verschiedene Studien zeigen, dass der Arsengehalt im Reis steigt, wo die Bauern mit Arsenhaltigem Wasser bewässern. Der Hauptteil des über die Nahrung aufgenommenen Arsens stammt in Deutschland aus Fisch und Fischprodukten, in denen organisches Arsen in Form von Arsenobetain vorliegt und wo Werte von bis zu 50 mg/kg TG (Nordseescholle, Oktopus) vorkommen können. Weiterhin relevant sind Braun- und Rotalgen, in denen mehr als 100 mg/kg TG Arsenozucker nachgewiesen wurden. Zu Arsengehalten in Kakao und Kakaoerzeugnissen liegen insgesamt nur wenige Daten vor.

Analytik von Arsen

Im Spurenbereich wird die Arsenanalytik heutzutage nach einem thermischen oder sauren Aufschluss sowohl qualitativ als auch quantitativ mit Hilfe moderner instrumenteller Messverfahren wie der AAS (Atomabsorptionsspektroskopie) sowie als Multielementanalyse mit der ICP-OES (optische Emissionsspektroskopie mit induktiv gekoppeltem Plasma) durchgeführt.

Toxikologie

Die Exposition gegenüber Arsenverbindungen stellt heute sicherlich eines der größten Umweltprobleme dar. War Arsen früher hauptsächlich als Mordgift bekannt, stehen heute die chronischen toxischen Wirkungen im Vordergrund, die insbesondere in Gegenden mit hohen Arsengehalten im Trinkwasser beobachtet werden. Hierzu gehören als erste Anzeichen Hautveränderungen und Durchblutungsstörungen („Blackfoot Disease“), aber auch Krebserkrankungen der Haut, Lunge, Blase und Niere. Vermehrte Tumorhäufigkeiten werden bereits bei vergleichsweise niedrigen Arsengehalten im Trinkwasser beobachtet (ab ca. 50 mg/L); als Wirkungsmechanismus wurden die Induktion von oxidativem Stress, die Beeinträchtigung von DNA-Reparaturprozessen und die Veränderung von DNA-Methylierungsmustern mit nachfolgenden Fehlregulationen bei der Genexpression identifiziert. Diese Wirkungen beziehen sich auf die anorganischen Arsenverbindungen Arsenat ([AsO4]3-) und Arsenit ([AsO3]3-) und ihre methylierten Metabolite; die Toxizität der organischen Verbindungen Arsenobetain und Arsenozucker ist noch weitgehend unbekannt. Zwar ist hier die akute Toxizität geringer, aber chronische Wirkungen der vergleichsweise hohen Mengen in Fisch, Meeresfrüchten und Algen müssten dringend abgeklärt werden.

Grenzwerte für Arsen

Sowohl von der Weltgesundheitsorganisation (WHO), der amerikanischen EPA (US Environmental Protection Agency) als auch durch die Trinkwasserverordnung wurde ein Trinkwassergrenzwert von 10 µg Arsen/L festgelegt. Seit 01.01.2006 gilt dieser Wert auch für natürliche Mineral- und Tafelwässer; Wasser zur Zubereitung von Säuglingsnahrung darf 5 µg/L nicht überschreiten (Mineral- und Tafelwasserverordnung, MTVO). Der von der WHO/JECFA (Joint FAO/WHO Expert Committee on Food Additives) aufgestellte PTWI-Wert (provisionable tolerable weekly intake) beträgt 15 µg Arsen/kg KG/Woche, die „Oral reference dose“ (RfD) der EPA 0,3 µg anorganisches Arsen/kg KG pro Tag. China gehört zu den wenigen Ländern der Erde, die den Arsengehalt in Nahrungsmitteln reglementieren. So gilt hier ein „Toleranzwert“ für Arsen von 150 µg/kg Reis.

Das EFSA-Gremium für Kontaminanten in der Lebensmittelkette (CONTAM-Gremium) hat Ende 2009 ein Gutachten zu den Gesundheitsrisiken veröffentlicht, die sich aus der Verunreinigung von Lebensmitteln durch Arsen ergeben können. Das Gremium verglich hierzu Arsenmengen, die durch Lebensmittel und Getränke in den menschlichen Körper gelangen können, mit den Aufnahmemengen, ab denen Arsen bestimmte Gesundheitsprobleme verursachen könnte. Da zwischen beiden Werten nur geringe oder gar keine Unterschiede festgestellt wurden, empfahl das Gremium, die Exposition gegenüber anorganischem Arsen zu reduzieren sowie den PTWI nach unten anzupassen. Hierzu sollen in nächster Zeit noch spezifischer Daten zu organischen und anorganischen Arsengehalten bei verschiedenen Lebensmitteln sowie zum Verhältnis zwischen Arsen-Aufnahmemengen und möglichen gesundheitlichen Auswirkungen herangezogen werden.

SÜSSWAREN (2010) Heft 4

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